Nach dem der Abstieg aus der höchsten deutschen Spielklasse nach Meinung vieler Szenenasen nicht mehr zu verhindern sein wird, begab sich ein Großteil der aktiven Szene nach Lissabon um bei einem der für die nächsten Jahre wahrscheinlich letzten Europacup-Auftritt unserer Brustringkicker dabei zu sein und nochmals den Wahnsinn des europäischen Schwanzvergleichs mitzuerleben.

Ähnliche Gefühle trieben auch die Jungs aus BC und Umgebung um, so dass es gleich zwei Reisegruppen gab, deren Budget für diese Reise nicht unterschiedlicher hätte sein können: Suhles, Boxer, Medes, Bombese und der Schreiberling zogen die Bronze-Reise, die über den Militärflughafen Frankfurt (äh Koblenz)-Hahn zunächst nach Porto und dann nach Lisses führen sollte, dem Silber-Reisen Angebot der Kadetten Phil, Bütsche und Theo vor, welche einen Wellness-Ausflug ins 4-Sterne Deluxe Hotel direkt ab Stuttgart 21 gebucht hatten.

So fand man sich also früh morgens in des Schreiberlings Behausung ein, um den Tag mit einer langwierigen aber mit genug Puffer ausgestatteten Anreise nach Hahn zu starten. Bei kurzweiliger Fahrt bei der das sagenumwobene „aufrendra“ (Kenner und Erfahrene des Geschlechterkampfes der Frühzeit kennen diesen Begriff aus dem FF) das Licht der Welt erblickte, fuhr man wie jedes Mal kurz vor Hahnes in einen Stau, der den anfänglich überragenden Zeitpuffer schnell schmelzen und die Aufgeregtheit der Mitfahrer an ungeahnte Dimensionen eines Fanclubkollegen erinnern ließ. Nachdem man dann auch noch den ShuttleBus des low-cost Parkplatzes – der gefühlt in Stuttgart stand – ohne teilzunehmen passieren ließ, ging doch auch den anderen Beteiligten ein wenig die Düse, ob man denn die Reise überhaupt pünktlich antreten könne. Aber eigentlich wie immer, erreichte man fünf Minuten vor Torschluss frohen Mutes das Gate und sah, dass sich mehrere der Stuttgarter low-cost Aktivisten auf die besagte Tour von Porto gen Lissabon eingerichtet hatten. Der Ryanair Rosinenbomber konnte also geentert werden, sensationell ist hier zu erwähnen, dass manche Leute schon unverschämt sind, indem sie Ihren Backpacker Rucksack – für 7 Jahre Weltreise ausgestattet – natürlich als Handgepäck deklarieren wollen… Dann müsst ihr halt bei Gott die 20€ fürs Gepäck noch bringen… Der Flug wurde größtenteils verlabert oder im Reich der süßen Nichtabstiegsträume verbracht und so war man recht fix in Porto, der Stadt des Portweins und der darbenden Maschinenbauindustrie angekommen.

In Porto las man die restlichen Begleiter der illustren Reisegruppe Thomas, Matse, Uwe und Timo auf, welche unseren 9er nach Lisses komplettierten. Hervorzuheben ist hier wie sich ein sehr großer Teil der Mitfahrer bereits in Porto dermaßen vom Fahren disqualifizierte und sich stattdessen (Gott sei Dank) um das leibliche Wohl der Mitfahrer in Form eines astreinen Barservice kümmerte. So war es auch nicht verwunderlich, dass man an einem der unzähligen kleinen Fischerdörfchen – dem sogenannten Foz – auch mal Figueria machen wollte. Sensationelle Namensgebung. In Lissabon angekommen war ich persönlich das erste Mal froh ein Navi mit an Bord gehabt zu haben, denn um mit den Worten eines Lyon-Reisenden zu sprechen: Wir hätten das Hotel bei Gott nie gefunden! Nach kurzer Irrfahrt durch die Einbahnstraßen der Hafenstadt, vorbei an unzähligen Denkmälern für Großadmiral Karl Dönitz – Danke Suhles für die Geschichtsstunde – war man an unserer Kaschemme angekommen und danach relativ zügig auf dem Weg zum Estadio da Luz.Hier traf man dann Gott und die Welt und insbesondere diejenigen, welche nachher maßgeblich an dem für mich persönlich besten Europacupabend der vergangenen Jahre beteiligt waren.

Das Spiel ist eigentlich schnell erzählt: Ein wenig mitgespielt, in der zweiten Hälfte vorgeführt und kämpfen können wir eh nicht. Warum man da klatscht, weil sich einer der Zigeuner mal gefühlte zehn Sekunden an den Block stellt vermag ich nicht zu beurteilen. Was leider auch immer deutlicher wird sind die Probleme innerhalb der Fanszene, die sich in mindestens zwei Lager gespalten hat. „Früher“ brauchte man einen Anschreier und der Rest war dabei, aber auch wenn mal von jemand anderes was kam und wenn es nur XXX Arschlöcher war, so stimmte man mit ein. Das hat uns meiner Meinung nach zum Beginn des Milleniums stark und zu einer der besseren Szenen in Deutschland gemacht. Ob aber Kumbaja my Lord oder die deutsche Nationalhymne zu Beginn der zweiten Halbzeit mehr Mode haben, dass soll bitte jeder selbst entscheiden! So genug zum Spiel und den Problemen drum herum, auf zum Abend und zum bereits angekündigten mehr als denkwürdigen Abschied aus Europa.

Zunächst ließ man sich von Reiseführer Theodora durch die malerischen Gässchen Lissabons in die Irre führen, bevor man endlich an einem satten Kiosk die Literflasche SuperBock zu sich nahm und den Anderen eine Mahlzeit gönnen konnte. Hier fielen insbesondere die fliegenden Händler aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien negativ auf, die nebst allerlei Tee und Backpulver auch Hüte und blinkende Brillen an den Mann bringen wollten. Dass dieses Land wirtschaftlich seit seiner großartigen Seefahrervergangenheit nichts mehr auf die Reihe bringt, ist wohl auch irgendwie klar ganz getreu dem Motto „Portugal schafft sich ab!“. Auf jeden Fall landete man danach in einer Kaschemme, die aufgrund ihrer Bedienung wohl schon den einen oder anderen Stuttgarter zum aufrendra motiviert hatte und daher entsprechend gefüllt war. Die stille Post verbreitete sich dann sensationell schnell und so war rund eine Stunde nach Ankunft der Jungs aus BC, die Lokalität mit ca. 200 Stuttgartern (und hier meine ich jetzt die „richtigen“) gefüllt und man wartete gespannt auf den ersten Gig des Star-DJs Theo Deluxe. Dieser schnappte sich dann die Turntables der Kaschemme und legte für die nächsten 4 Stunden sensationell auf – von den Onkelz über deutschen Schlager bis hin zur Nationalhymne war alles dabei. Junge Theo, für mich hast Du Dich an diesem Abend unsterblich gemacht. Auch in der Kneipe sah man nur lachende Gesichter, wobei die meisten der anwesenden Kadetten bereits vor der Jahrtausendwende aktiv waren – etwa von den No Name Boys bis zu Boys Inferno und alles dazwischen – und jeder spürte, dass dieser Abend etwas ganz besonderes war. Nicht dass ihr jetzt denkt der Schreiberling versinkt hier im Gefühlschaos und weiß nicht mehr was los ist, aber es war einfach nur noch satt! Aber wie es halt so ist im Leben, rief irgendwann der Wirt die letzte Runde aus und man machte es sich daher alsbald im benachbarten Club noch ein wenig gemütlich, wobei die portugiesische Männerwelt sichtlich nicht erfreut war über den anreisenden Mob Stuttgarter Jünglinge. Nicht zu vermeiden waren dann zum Abschluss der Nacht noch einige Diskussionen mit den anwesenden Aborigines, welche dann non-verbal beendet werden mussten.

Am nächsten Morgen führte man sich die nicht zu verachtenden Sehenswürdigkeiten von Karl-Dönitz-Stadt nochmals bei Tageslicht zu Gemüte und war sich sicher, dass in Portugal außer Seefahrern und Entdeckern in naher Zukunft nichts mehr sein wird, es sei denn der Maschinenbau und sämtliche Industrie der westeuropäischen Welt werden auf der Stelle abgeschafft.

Pünktlich zur Rückreise gen Porto öffnete dann Petrus seine Schleusen und sorgte wohl für den regenreichsten Tag des Jahres 2011 in Portugal. Auch die Reisegruppe kam nun zu ernsteren Themen zurück, wurde doch der bevorstehende Abstieg und die gespaltene Fanszene diskutiert. Während man zur Spaltung der Fanszene weiter beitragen wird, indem ein sattes Comeback auf eigenem Podest samt Turntables für Theo Deluxe geplant ist, war man beim bevorstehenden Abstieg doch eher zwiegespalten und wusste nicht ob die momentane Lizenzspieler Mannschaft eigentlich doch eher Softball oder American Football spielen sollte. Klar ist auf jeden Fall, dass Cippi Marica mit goldenem Helm und lila Schuhen optimaler Kicker der San-Francisco 49ers wäre, wenn dann noch Yilli Bastürk Quarterback und Raffi Schäfer Wide Receiver angeheuert würden, so würde dieses Team die nächsten Jahre garantiert konkurrenzlos den SuperBowl gewinnen und einen Trick-Spielzug nach dem anderen abliefern… Kranke Szene und kranke Leute …

Dank Navi fanden wir uns auch im Moloch Porto gut zurecht und waren auf einmal satt im Zentrum angekommen. Petrus hatte zwar immer noch kein Einsehen, aber der örtliche Hafen bot doch allerlei Sehenswertes und lud zum abendlichen Mahl ein. Und hier wirklich Mal ein Kompliment an die örtliche Gastronomie, selten so eine satte Portweinsauce verköstigt und so herzlich bedient worden. Der Abend war leider aufgrund des Wetters und mangelnder Locals relativ schnell vorbei und wurde an der Hotelbar – wo der selbsternannte Capo seiner nicht vorhandenden Arbeitsmoral alle Ehre machte – vollends abgerundet.

Teile der Reisegruppe brachen am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrüh auf, um sich nach London ins Arbeiterviertel Millwall zu verabschieden und am nächsten Tag das Old Firm im malerischen Fischerdorf Glasgow zu sehen. Wir hoffen ihr hattet Euren Spaß! Wir hingegen starteten mit ordentlichem Zeitpuffer gen Flughafen zu Porto und der geneigte Leser wird es erahnen es war wieder verdammt knapp… Junge junge, ich sah uns schon im Dreieck springen…

Mit „Heute im Stadion“ und der Gewissheit dass trotz der zu erwartenden Niederlage in Lev noch nichts wirklich verloren scheint, verlief die Rückfahrt relativ ereignislos und der Schreiberling war froh in der heimischen Kaschemme bei leckerer Mahlzeit empfangen zu werden und dann in die heimische Koje einfallen zu können.

Allen die diesen Trip so unvergesslich gemacht haben ein großes Dankeschön und wir sehen uns sicher beim nächsten europäischen Kick in 20 Jahren wieder. Besondere Grüße gehen an die Gastmitfahrer Thomas, Matse, Uwe und Timo, sowie an Hondo, FH, Scheckese, Nico, Tom, Cat, Botsche, Brüdener Jungs, Miedel, Krause, … ihr seht die Liste ist dieses Mal einfach mehr als zu lang!