Alle VfB-Mitglieder dürfen sich ob der turbulenten Tage am Cannstatter Wasen glücklich schätzen, dass Ihnen wenigstens Ihr Präsident Wolfgang Dietrich noch ab und zu seine Sicht der Dinge erklärt. Für alle, denen dieses Privileg nicht zustehen soll, darf ich nun gerne aus dem aktuellsten Mitglieder-Mailing repetieren.

Herr Dietrich kommt sehr schnell zur Sache und stellt fest, dass er „Als Präsident stand und stehe ich, gemeinsam mit allen Gremien unseres VfB Stuttgart, für einen Weg, der auf mehreren tragenden Säulen fußt: Zum einen sind das Kontinuität und Glaubwürdigkeit. Die dritte und allerwichtigste Säule aber ist der sportliche Erfolg unserer Mannschaft.“
Kontinuität und Glaubwürdigkeit also, die aber natürlich dem sportlichen Erfolg der Mannschaft unterzuordnen sind. So weit, so logisch. Kann man schon aber auch in der „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ Schublade ablegen, wenn ich sportliche Ziele gefährdet sehe. Dann führt Herr Dietrich weiter aus, dass man von den letzten 8 Spielen mal eben 7 verloren hat um dann weiter darzustellen, dass „Zu meinem ganz persönlichen Bedauern stellte sich aber in den späten Stunden des vergangenen Samstags heraus: Ihm [Wolf] selbst fehlte der Glaube daran, die Mannschaft noch so zu erreichen, wie es für eine erfolgreiche Arbeit nötig ist. Eine Einschätzung, die mit dem Verlauf der vergangenen Spieltage für jeden Beobachter unserer Mannschaft nachvollziehbar wurde. Gerade unser Respekt vor dem gemeinsam Erreichten ließ gar keinen anderen Gedanken zu, als seinem Gefühl zu folgen und den Weg einer Trennung zu beschreiten.“
Unser Respekt vor dem gemeinsam Erreichten, lies also zu später Stunde gar keinen anderen Gedanken zu, als seinem Gefühl (!) zu folgen und den Weg einer Trennung zu beschreiten. Kontinuität und Glaubwürdigkeit weichen also nachts om halb zwölfe einem Gefühl einer Trennung zu folgen. Natürlich war ich nicht dabei, aber welcher Profitrainer sagt denn zu seiner sportlichen Leitung, dass er ein schlechtes Gefühl hat und dass ihn sein Präsident doch bitte bitte aus dem Vertrag erlösen solle? Hier wird im Stile eines Trennungsbriefs an einer Seifenoper gearbeitet, dass Hannes Wolf quasi gekündigt hat und unser Chef dem nur nachkam, weil „man so viel Respekt vor dem gemeinsam Erreichten“ hat. Versteht mich nicht falsch, Herr Wolf hatte zum Schluss wenig Argumente und eine Trainerentlassung ist irgendwo auch folgerichtig, nur die Legendenbildung wer hier wen dann letztlich zur Trennung bewogen haben soll, stößt mir schon ein wenig auf.
Jetzt kommen wir aber wieder zur Kontinuität, denn diese kann man nach Entlassung der Aufstiegshelden Schindelmeiser/Wolf nun eben nicht mehr an Personen festmachen, daher klar eine Neudefinition: „Denn Kontinuität bedeutet insbesondere im Sport, dass wir auf Kurs bleiben und unsere Ziele erreichen. Dieses Ziel war und ist, die Klasse zu halten. Mit dem 14. Platz in der Tabelle sind wir noch im Plan. Und wollen das auch bleiben.“ Eigentlich rhetorisch cleverer Schachzug, um auf das übergeordnete Ziel „Ja zum Erfolg“ wieder zu verweisen. Da es aber dann doch irgendwo auch Personen braucht stellen wir fest: „Wir freuen uns, dass mit Tayfun Korkut einer zum VfB zurückkehrt, der nicht nur seine Wurzeln in Stuttgart hat, sondern auch den Verein, das Umfeld und einige unserer aktuellen Spieler gut und persönlich kennt. Er brennt für seine neue Aufgabe in der Heimat und ist heute herzlich von der Mannschaft willkommen geheißen worden. Ich wünsche unserem Coach von ganzem Herzen alles erdenklich Gute und viel Erfolg hier bei uns in Stuttgart.“
Und jetzt ist die Mail aber (mindestens) als Aprilscherz entlarvt. Kontinuität heißt also sportlich auf Kurs zu bleiben bzw. die Klasse zu halten. Dafür holt man dann Tayfun Korkut, dessen Argumente diese Ziele zu erreichen sind, dass er aus Stuttgart kommt, schon mal da war, für seine Aufgabe brennt und von der Mannschaft herzlich willkommen geheißen wird?
Tayfun Korkut hat in der Bundesliga einen Punkteschnitt von 1,17 (Hannover), 1,06 (Kaiserslautern) und sagenhaften 1,00 bei Bayer Leverkusen (!). Das Excel-Sheet, bei dem dieser Trainer als bester Kandidat unter der Auswahl von ein paar anderen Kadetten für ein „sportliches auf Kurs bleiben“ übrig bleibt, möchte ich gerne mal sehen. Aufgrund der bisher gezeigten Leistungen sportlich eine absolute Nullnummer bzw. statistisch wäre es eine Sensation (quasi ein Extremereignis) sollte Herr Korkut einen 1,2-Punkte Schnitt holen, was dann am Ende des Tages zu 37 Punkten und evtl. Relegation oder Nichtabstieg erreichen würde. Also sportlich kann diese Personalie nur mit dem Prinzip Hoffnung verbunden sein. Dann passt es aber wenigstens ökonomisch, oder? Mmmhhh, warum gebe ich denn wenn ich s wirklich drauf habe, einem Trainer, dessen Karriere in Deutschland nach den drei oben genannten Stationen im Prinzip beendet war, dann noch einen Vertrag über die Saison hinaus und lasse gleichzeitig durchblicken, dass ich bei einem evtl. Abstieg nochmal neu drüber nachdenke, ob der Trainer dann wirklich bleibt? Sagt mal, so ganz ohne Verstand braucht man die 40 Mio vom Nachbar jetzt auch nicht nur an Abfindungen ausgeben. Einer den in Deutschland außer unseren Koryphäen niemand mehr auf dem Zettel hatte, wirds doch wohl auch erst mal nur mit einem Vertrag bis zum Saisonende machen, oder?
Und ganz zum Schluss wird noch die künftige Marschrichtung vorgegeben: „Ja, wir müssen diskutieren, streiten und miteinander ringen. Aber besonders jetzt gilt es zusammenzuhalten und zusammenzustehen. Einig und leidenschaftlich unsere Mannschaft zu tragen. Auswärts wie zuhause.“ Endlich ist er wieder da der Hashtag „#zusammenhalten“, immer wieder ein gerne gesehener Gast. Letzter Strohhalm quasi. Auf gut deutsch steht da aber: Alle Kritiker halten jetzt aber mal sofort die Fresse, denn sonst „Nein zum Erfolg“ und schuldig ist dann die Kurve, denn die hat ja nicht zusammengehalten. Erbärmlich, und wenn man ehrlich ist braucht es gerade jetzt das Korrektiv der Bruddler und kritischen VfBler.
Ein dunkelroter Steilpass in den leeren Raum, der versucht Volkes Zorn vom gottesgleichen Anführer abzulenken. Aber, Dear Mr. President, seien Sie sich gewiss, die Kurve wird auch Ihre und Ihres lächerlichen adjutanten Amtszeit überleben. Vieles wird dann nicht mehr so sein wie es mal war, aber Sie werden niemals auch nur den Hauch einer Chance haben, ähnlich viel Eindruck oder positive Erinnerungen wie die einstigen Größen wie Mayer-Vorfelder oder Staudt bei den Brustringträgern zu hinterlassen. Vielmehr wird es heißen, „weißt Du noch wie uns damals der Dietrich verarscht hat…“

Dennoch wünsche ich natürlich Tayfun Korkut, dass er mich Lügen straft und den VfB sensationell da unten rausführt!

Am Schluss bleibt aber trotzdem ein einigermaßen ernüchterndes: VfB Stuttgart, das sind wir!