Da bist Du noch freudestrunken von Halbzeit zwei gegen die Dynamos aus Dresden, dann trifft Dich Montag morgens die E-Mail der „außerordentlichen Mitgliederversammlung“ unseres VfB, in der es nun tatsächlich um die Ausgliederung der unseren Profifußballabteilung gehen soll.

„Ruhe in den Verein bringen“, „Vertrauen schaffen“, „Bessere Kommunikation mit den Mitgliedern herstellen“ „Liefern statt reden“: Markige Sprüche aus den aktuellen Mitgliedernachrichten, die dann so gar nicht mehr zu der für mich doch ein wenig überraschenden bereits genannten E-Mail passen. Eine Meisterleistung unserer Verantwortlichen, samt der Marketingabteilung, die unseren Herren Texte vorformuliert. Ich will an dieser Stelle nicht den Sinn oder Unsinn einer Ausgliederung im Allgemeinen oder im Speziellen für unseren VfB analysieren, nur eines weiß ich seit dieser E-Mail wieder um so mehr: Den handelnden Personen geht es seit Amtsantritt nur um die Ausgliederung, das oft beschworene Wohl des Vereins ist mit Ihr auf Gedeih und Verderb verbunden.
Als man vor ein paar Wochen Kevin Großkreutz nach seiner Puffnacht des Feldes verwies, schrieben sich die Verantwortlichen mit Stolz auf die Brustringfahnen, dass nichts aber auch gar nichts das Projekt Wiederaufstieg gefährden solle. OK, Argumentation soweit schlüssig und auch zu akzeptieren und auch irgendwie beeindruckend. Dann aber, in einer Phase in der es bei unseren Kickern nicht wirklich läuft und Du nur mit Glück Tabellenführer bist, eine entscheidende englische Woche vor Dir hast, kommt so eine E-Mail an die Mitglieder!
Werte Damen und Herren des Vorstands, Aufsichtsrats und stille Beteiligte: Wie kann man nur in einer entscheidenden Phase der Saison auf ein Mal das Thema Ausgliederung wieder in den Fokus und damit das Projekt Wiederaufstieg aus dem Fokus rücken?! Das ist unverantwortlich und wurde schon letzte Saison mit dem Abstieg bestraft. Und jetzt machen wir das zum Wohl unseres VfB genau auch gleich nochmal wieder so. Ihr seid wirklich verrückt geworden.
Oder, das Ganze war gar ein mega durchdachtes Spiel: Wahrscheinlich hofft Ihr auf einen Derbysieg gegen den KSC nächstes Wochenende und dass der „gemeine Fan“ dann die Ausgliederung wieder ad acta gelegt hat und Ihr nachher sagen könnt: „Wir haben Euch doch früh genug informiert“. Genauso der Termin dieser außerordentlichen Versammlung. Kurz nach dem hoffentlichen Wiederaufstieg wird also diese Veranstaltung am 1. Juni stattfinden. Hat man es dann tatsächlich wieder in Liga 1 geschafft, werden Phantasien von Champions League und was auch immer in die Köpfe der Mitglieder projiziert und dass man ohne Ausgliederung sowieso gleich wieder runter muss. Respekt, guter Plan! Und damit sich s gleich noch besser anhört, plant man jetzt nicht nur um die 50 Mio. €, sondern gleich deren 100 Mio. € einzusammeln. Da Ihr aber wisst, dass der gemeine Fan in Stuttgart gar nicht so blöd ist und der ein oder andere doch einen ökonomischen Hintergrund hat, sammelt Ihr das Geld „nicht sofort, sondern erst in den kommenden Jahren“ ein. Es ist leider so lächerlich und durchschaubar. Der VfB ist auf absehbare Zeit für jeden Investor und auch für unsere Partner mit denen wir wohl gesprochen haben, nichts anderes als eine Risikokapitalanlage. Dann stellt man einfach „eine neue Bewertung“ auf und schwups ist man in der Theorie 100 Mio. € wert (aber erst nachdem wir in drei Jahren deutscher Meister waren). Fühlt sich an wie ein Start-up, dass da „so ne App“ entwickelt hat bzw. entwickeln will und meint bei der Höhle der Löwen von „Profiinvestoren“ ein wenig „Anschubfinanzierung“ für Ihr Imperium abzuholen. Brutal eigentlich...
Zudem fasse ich es einfach nicht, wie ignorant manche beim VfB wirklich sind. Letztes Jahr gab es eine schallende Ohrfeige der Mitglieder für die geplanten Änderungen an unserer Satzung, aber dennoch wird in o.g. E-Mail wieder genau der gleiche Terminus an vorgeschlagenen Änderungen angekündigt. Irgendwie fast schon peinlich, wie sehr man diese Ausgliederung braucht, ohne schlüssige Argumente dafür oder dagegen zu liefern.

Und das schlimmste ist: In einer der wichtigsten Phasen der Saison geht es wieder nur um „ja“ oder „nein“ am 01.06.2017 und eine Spaltung der Fanszene findet wieder statt. Die Cannstatter Kurve hat in dieser Saison (z.B. jetzt wieder am Sonntag gegen Dresden) bewiesen, dass sie das Zünglein an der Waage sein kann, wenn sie bedingungslos zusammenhält. Jetzt werft Ihr uns Stolpersteine hin, die wir als Kurve entweder ignorieren können oder zum Wohle unseres VfB aufgreifen müssen. Das dividiert uns auseinander und kann dazu führen, dass dem Projekt Wiederaufstieg eben nicht alles, sondern nur Kevin Großkreutz Entlassung, untergeordnet wird. Danke!

Ich bin einer Ausgliederung zwar kritisch eingestellt, aber nicht per se dagegen, sollten wir denn fähige Mitarbeiter und tatsächlich einen zumindest mittelfristigen Plan haben. Aber, ich fände es eben auch mehr als professionell, wenn sich unsere nun Verantwortlichen eben mal zuerst mittelfristig beweisen, bevor man Ihnen die großen Investoren und Partner an die Hand gibt. Und mit mittelfristig meine ich jetzt nicht die durchschnittliche Verweildauer eines Londoner Wertpapierhändlers bei irgendeiner Bank (bis zum nächsten Bonus), sondern mal mindestens 3-4 Jahre und eben nicht nach einer vielleicht guten Runde mal gleich nach ner Gehaltserhöhung und noch mehr Geld zu schreien.
Fokussiert euch auf den Aufstieg, liefert Argumente warum eine Ausgliederung Sinn macht und freundet Euch auch mal mit dem Gedanken an, dass es auch ohne Ausgliederung funktionieren kann und sollte!


Allez VfB